Fast alle haben sich daran beteiligt, was auch nicht immer der Fall ist. Dabei haben die meisten festgehalten, wie beeindruckend für sie der gemeinsame Auftritt eines Opfer- mit einem Täter-Kind gewesen ist. Die eingefügten Lieder, der Rollentausch zwischen den Lesenden, die Umarmung am Ende, das wurde ausdrücklich von vielen hervorgehoben als ganz besonders gut und wichtig. S., ein Schüler aus Kasachstan, der einen Geschichts-Leistungskurs besucht und zunächst gar nicht so angetan zu sein schien von meinem Vorschlag, diese Rezitation zu besuchen, hat gesagt, dass er in seinem gesamten Geschichtsunterricht noch nie etwas erlebt hätte, das ihm so unter die Haut gegangen wäre.
L. sagte, die beiden Lesenden helfen den Deutschen auf eine ganz besondere Weise, ihre Geschichte zu „verdauen“. Auch die Worte von Henrik Eger, dass das Gift der Vernichtung schon in der Sprache beginne und jeder sich seiner Verantwortung für die anderen bewusst werden müsse, sind bei vielen besonders hängen geblieben. Ich glaube, dass Sie – und alle Beteiligten – sehr viel mehr erreicht haben, als ich selber es mir hätte vorstellen können.
In den mitgesandten Einzelvoten wurde durchweg als besonders beeindruckend empfunden, dass die Söhne der Verfasser aus der Opfer- und Tätergeneration vorlasen, niemand für die Taten der Vorfahren verantwortlich gemacht werden könne und Versöhnung nur über eine ehrliche Aufarbeitung führe – auch für Konfliktherde unserer Zeit..
Das Stück spricht jeden an, der bereit dazu ist, die Typisierung von Minderheiten neu zu überdenken, und ermutigt das Publikum dazu, die Initiative zu ergreifen, bevor erneut Randgruppen angegriffen werden.
Durch die Powerpoint-Präsentation wurde das Drama der Eltern noch klarer. Dies war insofern noch ein technisches Problem, als die verwendeten Dias erst nach der Ankunft von Henrik Eger und Bob Spitz am 6.11. vorlagen und daher für die technischen Proben an den vier Veranstaltungsorten an drei Tagen nur wenig Zeit blieb. Letztlich hat aber der Erfolg der Veranstaltungen den enormen Kräfteeinsatz über einen Zeitraum von 12 Monaten gerechtfertigt.
Die Hamburger Aufführungen
Bereits 2007 entstand die Idee, eine Aufführung zur 70. Wiederkehr der Reichspogromnacht in den Hamburger Kammerspielen, dem alten jüdischen Theater mit Henrik Eger und Bob Spitz als Vertreter der Täter- und Opfergeneration zu ermöglichen. Als Veranstalter dafür sollte möglichst die jüdische Gemeinde gewonnen werden. Dies gelang auch letztlich, so dass die Kammerspiele die Veranstaltung wie folgt ankündigen konnten:
Deutsche Uraufführung des unzensierten Dokudramas zur 70. Wiederkehr der Reichpogromnacht, am 9. November 1938.
In Kooperation mit der jüdischen Gemeinde Hamburg und der Sütterlinstube, Hamburg, Dr. Peter Hohn.
Die Begrüßung wird durch einen offiziellen Repräsentanten der Freien und Hansestadt Hamburg gehalten.Termin: Sonntag 09.11.08 Logensaal
Als offizielle Vertreter des Senats sprachen die zweite Bürgermeisterin und Schulsenatorin Christa Goetsch und (als Beauftragter der Kulturbehörde) der Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Detlef Garbe.
In ihrem Grußwort sagte Frau Bürgermeisterin Goetsch zu, sich für weitere Aufführungen an Hamburger Schulen einzusetzen. Wie wichtig solche Veranstaltungen für den schulischen Bereich sind, wurde an einer kurzfristig von Ruben Herzberg, dem Leiter der jüdischen Gemeinde, anberaumten zusätzlichen Veranstaltung in der früheren Talmud-Tora-Schule deutlich. Seiner Einladung waren 250 Schüler aus sieben Hamburger Schulen gefolgt. Einer der teilnehmenden Deutschlehrer drückte später den Eindruck seiner Klasse aus, der für alle vier Hamburger Veranstaltungen galt:
In der heutigen Deutschstunde habe ich mit meinem Kurs, einem Grundkurs des Jahrgangs 13, über die am Montag besuchte Rezitation gesprochen. Ich habe die Schüler zunächst gebeten, Ihnen zu schreiben, was sie zu der Veranstaltung sagen möchten. Die Texte habe ich nach 15 Minuten eingesammelt, ich habe sie nicht gelesen – ich glaube, das war meinen Schülern auch wichtig - , sie sind also nicht „korrigiert“ oder meinerseits gefiltert. Danach haben wir eine sehr intensive Diskussion geführt, die erst vom Klingeln beendet wurde.
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