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Gottesdienst zum Volkstrauertag
Ansgarkirche Hamburg-Langenhorn 13.11.2016 10:00
Orgelmusik: Kantorin Julia Götting
Begrüßung: Pastor Tobias Götting
„Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Gottes.“
( aus 2. Kor. 5)
Gott sieht uns, wie wir wirklich sind.
Es ist Teil der uns verliehenen Würde, dass Gott urteilt, beurteilt, aber nicht verurteilt.
Der Richter ist kein Henker, sondern ein Schöpfer und Liebhaber des Lebens und der Wahrheit.
Im Namen dieses lebendigen Gottes sind wir hier zusammen am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr.
Wir feiern ihn wiederum gemeinsam mit der Sütterlinstube Hamburg, die seit nunmehr 20 Jahren ehrenamtlich Texte aus den alten Schriften in heute übliche überträgt.
In einigen Gottesdienst hier sind schon Texte aus der Übertragungsarbeit sicht- und hörbar geworden. Unvergessen etwa die Wieder-Lesbar-gewordenen Texte Walter Wächters aus
dem Konzentrationslager Fuhlsbüttel, die wir in Anwesenheit seiner Nachkommen hier Gott und der Gemeinde neu hingehalten haben. Gebete, ohne Gott zu nennen. Aber jedes
Atmen der Seele trägt einen Glutkern, der Gebet ist, in sich.
Heute ist es auch ein Abschied. Herr Dr. Hohn musste nach 16 Jahren die Leitung der Sütterliner abgeben. Nicht freiwillig, das ist der Schmerz, sondern weil seine
Gesundheit seine ganze Aufmerksamkeit bindet und braucht.
Es war Ihre Idee, lieber Peter Hohn, an diesem Volkstrauertag daran zu denken, dass es in j e d e m Krieg von Anfang an mindestens einen Verlierer gibt: die Wahrheit.
Und so haben Sie sich auf einen Erinnerungsweg gemacht durch die vielen Texte, die sie und Ihre Mitstreiter im Laufe der Jahre übertragen haben. Und haben die Ergebnisse
für unseren heutigen Gottesdienst kombiniert mit Ihrem unvorstellbar profunden historischen Wissen. Das ist immer wie eine Art wandelndes Geschichtsbuch.
Wir sind dankbar, dass Sie noch einmal öffentlich bei uns heute in dem Geschichtsbuch blättern, das in Ihnen selbst aufbewahrt ist.
Und feiern Gottesdienst im Namen dessen, der sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Amen.
Lied: Gott des Himmels und der Erden EG 445, 1-5
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Psalm 51, 3-6.8.10-14
Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz
Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte,
und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit.
Wasche mich rein von meiner Missetat,
und reinige mich von meiner Sünde;
denn ich erkenne meine Missetat,
und meine Sünde ist immer vor mir.
An dir allein habe ich gesündigt
und übel vor dir getan,
auf dass du recht behaltest in deinen Worten
und rein dastehst, wenn du richtest.
Siehe, dir gefällt Wahrheit, die im Verborgenen liegt,
und im Geheimen tust du mir Weisheit kund.
Lass mich hören Freude und Wonne,
dass die Gebeine fröhlich werden, die du zerschlagen hast.
Verbirg dein Antlitz vor meinen Sünden,
und tilge alle meine Missetat.
Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz,
und gib mir einen neuen, beständigen Geist.
Verwirf mich nicht von deinem Angesicht,
und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir.
Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe,
und mit einem willigen Geist rüste mich aus.
Lied: Komm, in unsre stolze Welt EG 428 1+5
Komm in unsre stolze Welt, Herr, mit deiner Liebe Werben. Überwinde Macht und Geld, lass die Völker nicht verderben.
Wende Hass und Feindessinn auf den Weg des Friedens hin.
Komm in unser dunkles Herz, Herr, mit deines Lichtes Fülle; dass nicht Neid, Angst, Not und Schmerz deine Wahrheit uns verhülle,
die auch noch in tiefer Nacht Menschenleben herrlich macht.
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Lesung des Evangeliums: Matthäus 25, 31-46
31; Wenn aber des Menschen Sohn in seiner Herrlichkeit kommen wird und alle heiligen Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Throne seiner Herrlichkeit; 32 und vor
ihm werden alle Völker versammelt werden, und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet 33 und er wird die Schafe zu seiner Rechten
stellen, die Böcke aber zu seiner Linken.
34 Dann wird der König denen zu seiner Rechten sagen: Kommet her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch
bereitet ist seit Grundlegung der Welt! 35 Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist; ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt; ich bin ein
Fremdling gewesen, und ihr habt mich beherbergt; 36 ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich bekleidet; ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht; ich bin gefangen
gewesen, und ihr seid zu mir gekommen. 37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dich gespeist, oder durstig
und haben dich getränkt? 38 Wann haben wir dich als Fremdling gesehen und haben dich beherbergt, oder nackt und haben dich bekleidet? 39 Wann haben wir dich krank gesehen,
oder im Gefängnis, und sind zu dir gekommen? 40 Und der König wird ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch, insofern ihr es getan habt einem dieser meiner
geringsten Brüder, habt ihr es mir getan! 41 Dann wird er auch denen zur Linken sagen: Gehet hinweg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem
Teufel und seinen Engeln! 42 Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeist; ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich nicht getränkt; 43 ich bin ein
Fremdling gewesen, und ihr habt mich nicht beherbergt; nackt, und ihr habt mich nicht bekleidet; krank und gefangen, und ihr habt mich nicht besucht! 44 Dann werden auch
sie ihm antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder als Fremdling oder nackt oder krank oder gefangen gesehen und haben dir nicht gedient? 45
Dann wird er ihnen antworten: Wahrlich, ich sage euch, insofern ihr es nicht getan habt einem dieser Geringsten, habt ihr es mir auch nicht getan! 46 Und sie werden in die
ewige Pein gehen, die Gerechten aber in das ewige Leben.
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Lied: Wir glauben Gott EG 184
184:1 Wir glauben Gott im höchsten Thron,
wir glauben Christum, Gottes Sohn,
aus Gott geboren vor der Zeit,
allmächtig, allgebenedeit.
184:2 Wir glauben Gott, den Heilgen Geist,
den Tröster, der uns unterweist,
der fährt, wohin er will und mag,
und stark macht, was daniederlag.
184:3 Den Vater, dessen Wink und Ruf
das Licht aus Finsternissen schuf,
den Sohn, der annimmt unsre Not,
litt unser Kreuz, starb unsern Tod.
184:4 Der niederfuhr und auferstand,
erhöht zu Gottes rechter Hand,
und kommt am Tag, vorherbestimmt,
da alle Welt ihr Urteil nimmt.
184:5 Den Geist, der heilig insgemein
lässt Christen Christi Kirche sein,
bis wir, von Sünd und Fehl befreit,
ihn selber schaun in Ewigkeit. Amen.
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Lesung 1 Dr. Hohn
Liebe Gemeinde!
Zu den Übertragungen der Sütterlinstube, die eine größere Öffentlichkeitswirkung hatten, gehören die Tagebücher des früheren Hamburger Kreisschulrats Gustav Schmidt aus
den Jahren 1905-45. Der letzte Teil (1939-45) ist durch Vermittlung des früheren Hamburger Bürgermeisters Peter Schulz vom Amt für Lehrerfortbildung als Unterrichtsmaterial
für Hamburger Schulen veröffentlicht worden.
Über den Beginn des zweiten Weltkriegs am 1.9.1939 heißt es dort im Eintrag vom 2.9.:
Ein Stoff zu späteren Forschungen über die Schuld am Kriege. Aber dunkel und ungenau sind die Darstellungen.
Tatsächlich ist der angegebene Kriegsgrund, nämlich der angebliche Überfall der Polen auf den Rundfunksender Gleiwitz, von den Nazis selbst durchgeführt worden.
Der vorgeschobene Kriegsgrund war also eine Lüge.
Und am 7.9. schreibt Schmidt:
Es darf kein ausländischer Rundfunk abgehört werden. Nur unsere Nachrichten dürfen Meinung bilden! Was will der Einzelne überhaupt mit einer Meinung! Gehorchen ist
Pflicht!
Das Abhören ausländischer Sender stand bis zuletzt unter Todesstrafe (Stichwort Wehrkraftzersetzung). Die einzigen, die das durften, war die deutsche Abwehr – und genau
hier lag das spätere Zentrum der Opposition gegen Hitler. Es ist für uns heute unvorstellbar, in welchem Ausmaß das deutsche Reichspropagandaministerium unter Joseph
Goebbels in der Lage war, die öffentliche Meinung zu kontrollieren und zu steuern. Niemand konnte beurteilen, was ist wahr und was gelogen.
Was das konkret bedeutet, wird z.B. in einem Brief eines deutschen Presseoffiziers im besetzten Frankreich, Alf Eger, an seine Frau deutlich:
In der Normandie schreibe ich nun weniger, stattdessen lenke, führe, verführe, intrigiere und irreführe ich, um der französischen Querströmung pressemäßig zu begegnen.
Das nennt man psychologische Kriegsführung. Alfs Sohn Henrik Eger hat diesen Absatz später in sein Theaterstück „Metronome ticking“ aufgenommen. Die eindrückliche
Aufführung im Dialog zwischen Henrik Eger und seinem jüdischen Freund Bob Spitz 2008 in unserem Gemeindesaal ist vielen noch in Erinnerung.
Und die Gegenseite:
Vor vielen Jahren habe ich über den britischen Kriegspremier Winston Churchill die folgende Geschichte gehört:
Er hielt im Unterhaus eine Rede, gespickt mit vielen Zahlen. Anschließend fragte ihn sein persönlicher Referent, woher er die Zahlen hätte. Er hätte doch mindestens ein
halbes Jahr gebraucht, um ihm die zu liefern. Churchills Antwort: Mindestens genauso lange braucht der Feind, um nachzuweisen, dass sie falsch sind!
Der Zweck ist naheliegend:
Den Feind, also die Deutschen, über die eigene Stärke so lange zu täuschen, bis man selbst genügend Stärke zum Widerstand hat. England und Frankreich hatten ja als
Reaktion auf den deutschen Angriff auf Polen Deutschland den Krieg erklärt, ohne darauf vorbereitet zu sein. Heiligt hier der Zweck die Mittel? Oder, um ein englisches
Sprichwort zu benutzen: Right or wrong – my country. Zu Deutsch sinngemäß: Ob richtig oder falsch – es geht ums Vaterland.
Ich habe nicht klären können, ob die Geschichte wahr ist. Die englische Forschung zu Churchills angeblichem Umgang mit Statistiken sagt aber: Der Ursprung läge in der
deutschen Kriegspropaganda. Goebbels habe während des gesamten Krieges den späteren Friedens- und Literatur-Nobelpreisträger Churchill als notorischen Säufer und Lügner
dargestellt.
Orgelimprovisation
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Lesung 2 Dr. Hohn
Die Begriffe „Kriegspropaganda“ und „psychologische Kriegsführung“ gab es aber auch schon im ersten Weltkrieg. Auch hierzu ein typisches Beispiel aus unserer
Übertragungstätigkeit:
Die Hermannsburger Mission übte bis zum ersten Weltkrieg eine segensreiche Tätigkeit in Indien aus. Insbesondere im sozialen Bereich wurden Leistungen erbracht, die nach
heutiger Auffassung Sache der britischen Kolonialmacht gewesen wäre.
Ende 1915 wurden die Hermannsburger ausgewiesen, weil sie sich nicht öffentlich von einer Liste angeblicher deutscher Kriegsverbrechen distanzieren wollten. Sie hätten sie
damit anerkannt. Außerdem standen sie natürlich in krassem Widerspruch zu den deutschen Darstellungen. Anders als nach dem zweiten Weltkrieg ist auch niemand nach
Kriegsende dafür zur Rechenschaft gezogen worden.
Genannt wurden u.a.
- Systematische Brunnenvergiftung durch deutsche Truppen in Belgien
Fakt ist: Eindeutige Kriegslüge.
- Verwendung von Giftgasen
Fakt ist: Stimmt. Es war ein deutsches Kriegsverbrechen. Giftgas (so genannte C-Waffen) wurden aber auch von den Engländern eingesetzt. Der zweite Weltkrieg brachte dann
noch eine Steigerung durch die Entwicklung biologischer und atomarer Waffen. Während des gesamten zweiten Weltkriegs wurde auf deutscher Seite von der Entwicklung
kriegsentscheidender „Wunderwaffen“ gesprochen. Tatsächlich waren technisch nur die Amerikaner in der Lage (natürlich unter größter Geheimhaltung) Atombomben zu bauen,
abzuwerfen (in Hiroshima und Nagasaki) und damit den zweiten Weltkrieg zu beenden. Niemand wurde wegen dieser Kriegsverbrechen angeklagt geschweige denn verurteilt. Der
Zweck heiligt die Mittel? Doch zurück zu den Hermannsburgern.
- Zu den angeblichen Kriegsverbrechen der Deutschen im ersten Weltkrieg gehörten auch die Versenkung von Handelsschiffen und des Passagierdampfers Lusitania durch
deutsche U-Boote und Hilfskreuzer innerhalb von Sperrgebieten vor der britischen Küste. Fakt: Nach deutscher Darstellung hatten die Handelsschiffe kriegswichtige Ladung für
die Alliierten geladen. Zudem benutzten diese auch Kennungen neutraler Staaten, um die Deutschen irrezuführen. Auch darüber hatten wir amtliche Akten zur Übertragung.
Und die Versenkung der Lusitania mit über 1000 Passagieren durch ein deutsches U-Boot 1915 ist ein finsteres Kapitel, vergleichbar mit der Versenkung des deutschen
Flüchtlingsschiffs „Wilhelm Gustloff“ 1945 durch ein sowjetisches U-Boot. Die Lusitania ging u.a. deshalb so schnell unter, weil durch das deutsche Torpedo die zusätzliche
Ladung an Waffen und Munition zur Explosion gebracht wurde. Hier haben die Engländer unschuldige Passagiere, davon über 100 US-Amerikaner als menschliche Köder benutzt,
um (letztlich erfolgreich) die USA zum Kriegseintritt zu bewegen. Der Zweck heiligt die Mittel?
Auch der zweite Weltkrieg wurde letztlich durch eine Kriegslüge entschieden, nämlich dem angeblich überraschenden Angriff der Japaner auf Pearl Harbor im Dezember 1941. Das wurde erst deutlich, als 1991 (also 50 Jahre später) die Akten darüber veröffentlicht wurden. Ich habe zu diesem Thema 2014 mit einem japanischen Professor für Staatsrecht, Auftraggeber der Sütterlinstube, einen Briefwechsel gehabt, versehen mit Beweisen aus dem Internet.
Damals war die militärische Situation so:
- Die Briten waren den Japanern in Ost- und Südasien militärisch unterlegen. Sie fürchteten um ihre Kolonien in Indien, Burma, Australien und Neuseeland.
Sie brauchten dringend die Unterstützung der USA.
- Die Sowjetunion benötigte dringend nach dem Angriff der Deutschen Militärhilfe der USA.
- Die öffentliche Meinung der USA war nach den Erfahrungen des ersten Weltkriegs und bei starkem deutschstämmigem Bevölkerungsanteil gegen einen erneuten Kriegseintritt.
Ein Umschwung war nur zu erwarten, wenn man den Angriff der Japaner als völlig überraschend mitten im Frieden darstellen konnte.
Dabei waren die Amerikaner nach den gescheiterten Verhandlungen mit den Japanern schon Wochen vorher gewarnt:
- Es war ihnen gelungen, den japanischen Militärcode zu entschlüsseln
- Ein unter britischem Oberbefehl stehendes niederländisches U-Boot hatte eine japanische Flottenbewegung Richtung Hawaii gemeldet
- Der sowjetische Meisterspion Richard Sorge hatte den Sowjets die Planungen der Japaner verraten
Den Amerikanern gelang noch, alle Flugzeugträger aus Hawaii abzuziehen, bevor die Japaner eintrafen.
Die Absicht ging auf. Die USA traten in den Krieg ein. Das niederländische U-Boot wurde als Mitwisser durch den britischen Secret Service vernichtet.
Ohne die anschließende massive Militärhilfe der USA an die Sowjetunion über Alaska und Sibirien wäre Stalingrad und damit der Umschwung an der Ostfront nicht möglich
gewesen.
Diese Version über Pearl Harbor ist vor einigen Jahren in Deutschland in Buchform erschienen. In den USA wird sie als Verschwörungstheorie zurückgewiesen – nicht zuletzt
deshalb, weil Pearl Harbor zur Rechtfertigung von Hiroshima und Nagasaki mit Hunderttausender ziviler Toter über Jahrzehnte dient! Was ist wahr, was gelogen?
Und erneut: Heiligt wirklich der Zweck die Mittel?
Lied: Jesus hilf siegen EG 373.1+4
373:1 Jesu, hilf siegen, du Fürste des Lebens; sieh, wie die Finsternis dringet herein, wie sie ihr höllisches Heer nicht vergebens mächtig aufführet, mir schädlich
zu sein. Satan, der sinnet auf allerhand Ränke, wie er mich sichte, verstöre und kränke.
373:4 Jesu, hilf siegen im Wachen und Beten; Hüter, du schläfst ja und schlummerst nicht ein; lass dein Gebet mich unendlich vertreten, der du versprochen, mein
Fürsprech zu sein. Wenn mich die Nacht mit Ermüdung will decken, wollst du mich, Jesu, ermuntern und wecken.
Lesung: Jeremia 8, 6-11 (Lektorin)
6 Ich habe gehört, was sie sagen - die Wahrheit ist es nicht. / Keiner bereut seine Bosheit und sagt: / Was habe ich nur getan? / Alle stürzen auf ihrem falschen
Weg weiter, / stürmen wie Pferde in die Schlacht. 7 Selbst der Storch am Himmel kennt seine Zeiten, / Turteltaube, Kranich und Schwalbe / halten die Frist ihres
Heimkommens ein. / Nur mein Volk kennt die Ordnung Jahwes nicht. 8 Wie könnt ihr sagen: Wir wissen Bescheid, / wir haben doch Jahwes Gesetz! / Gewiss! Aber deine
Gelehrten / haben es völlig verfälscht. 9 Eure Weisen werden sich schämen, / ertappt und bestürzt. / Ja, sie haben Jahwes Wort verworfen. / Und was für eine Weisheit
haben sie nun? 10 Darum gebe ich Fremden ihre Frauen, / ihre Felder neuen Besitzern. / Denn vom Kleinsten bis zum Größten / wollen sie Gewinn um jeden Preis. /
Auch Propheten und Priester / täuschen das Volk. 11 Die schwere Wunde meines Volkes / behandeln sie nur äußerlich. / 'Heile, heile, Segen', sagen sie, / aber nichts
und niemand ist heil."
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Ansprache Pastor Götting
So spricht der HERR: Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was hab ich doch getan!
Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt.
Wie könnt ihr sagen: »Wir sind weise und haben das Gesetz des HERRN bei uns«? Ist's doch lauter Lüge, was die Schreiber daraus machen.
Denn sie gieren alle, Klein und Groß, nach unrechtem Gewinn; Priester und Propheten gehen mit Lüge um und heilen den Schaden meines Volks nur obenhin, indem sie sagen:
»Friede! Friede!«, und ist doch nicht Friede.
Jeremia 8
I. Warheit, Gerechtigkeit und Frieden.
Sie gieren nach unrechtem Gewinn, sagen: »Friede! Friede!«, und ist doch nicht Friede. Natürlich nicht. Denn: Ohne Gerechtigkeit kein Friede! Und wenn wir heute auf unsere
Welt schauen, auf das Agieren der Märkte und das Anwachsen der extremen Ungleichverteilung der Güter, auf die Schere, die zwischen unglaublichem Reichtum und elender Armut
ebenso global wie auch regional immer weiter aufgeht, dann ist klar, dass darin Sprengstoff liegt, dass das auf die Dauer friedensgefährdend ist.
Bei Jeremia kommt aber - unübersehbar - noch ein Drittes hinzu, dessen Zusammenhang uns allermeist weit weniger selbstverständlich ist: Die Wahrheit.
So spricht der HERR: Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden.
Gottes Wort ist die Wahrheit. Und das Volk Israel kennt diese Wahrheit, es hat die Thora, die fünf Bücher Mose als Leitplanken für das gemeinsame Leben im Land der Freiheit.
Es hat Gottes Wort und Gebot. Israel weiß genau, was Gerechtigkeit ist. Auch seine geistigen Führer, seine „Eliten“, aber: Priester und Propheten - sie gehen mit Lüge um.
Sie kennen die Wahrheit, aber sie haben ihre eigenen, anderen Interessen und Loyalitäten. Die sollen nicht ans Licht und ein Widerspruch soll auch nicht auffallen - also
wird die Wahrheit vernebelt und umgebogen, Begriffe besetzt, Wörter verdreht.
Selbstbewusst kommen sie daher:
Wir sind weise und haben das Gesetz des HERRN bei uns! - und ist doch lauter Lüge, was die Schreiber daraus machen stellt Jeremia lakonisch fest. Die Schreiber. Die Medien.
Die Herren der öffentlichen Meinung. Die Mauschler und die Wirk-Mächtigen. Die Trend-Designer. Die PR-Leute. Die Pressesprecher.
Eine der eindrücklichsten Szenen in George Orwells Buch „1984“ ist, als die Hauptfigur Winston Smith nach wiederholter Folter und Gehirnwäsche auf die Frage „Wie viele
Finger siehst du?“ wie gewünscht die falsche Anzahl nicht nur nennt, sondern wirklich sieht. Die Machthaber haben ihn gebrochen, er kann nicht mehr an seiner Wahrheit
festhalten, sondern muss sich ihrer Wahrheit beugen.
Wahrheit ist ein hohes Gut. Menschen sind darauf angewiesen, dass sie sich darauf verlassen können, was wahr ist. Es wirkt als seelische Folter, wenn die eigene Wahrheit
verlacht wird oder das, was gestern als wahr galt, heute nicht mehr gilt. In Schulen und Büros gehört das zum Tatbestand des Mobbings, in den Medien leider manchmal zum
Alltagsgeschäft und in Diktaturen zum autoritären Machterhalt.
„Friede! Friede!“ - und ist doch nicht Friede. Ohne Wahrheit aber gibt es weder Gerechtigkeit noch Frieden.
„Gutes kann niemals aus Lüge und Gewalt entstehen“ formulierte Mahatma Gandhi. Er setzte damit in eins, was wir für eine völlig andere Qualität halten: Die Lüge, nun ja,
nicht schön - aber doch nicht so schlimm! Dagegen die Gewalt - wirklich schlimm! Das aber ist ein folgenschwerer Irrtum. Die Lüge führt zur Gewalt. Die Lüge verschleiert
Gewalt. Die Lüge ist Gewalt.
Alle Kriege beginnen mit Lügen! - ich weiß nicht, von wem dies oft angeführte Zitat stammt - aber es ist wahr. Wo wäre einem Volk jemals reiner Wein eingeschenkt worden
über die wahren Interessen, aus denen ihre Führer es in einen Krieg trieben? Der Soldat auf allen Seiten - er muss mit gutem Gewissen, mit Motivation, mit dem Gefühl, im
Recht zu sein und einem klarem Feindbild losziehen zum Töten und Getötet-Werden.
Auch Hitler hatte es nötig, unser Volk zu Beginn seines geplanten Krieges, beim Überfall auf Polen, mit einem inszenierten Propagandatrick - dem angeblichen polnischen
Überfall auf den Sender Gleiwitz - von der schaurigen, vermeintlichen Not-Wendigkeit eines Krieges zu überzeugen und gleichsam auszurufen:
Wir sind im Recht! - Wir haben das Gesetz des HERRN bei uns!
Persönlich erinnere ich mich noch daran, wie es mir ging, als der damalige US-Präsident Bush senior den ersten Irak-Krieg begann. Wie sich da die Berichterstattung, auch in
unseren Medien, auf den einen schrecklichen Diktator Saddam Hussein einschoss. Und natürlich war der war ein unfassbar brutaler Diktator, einer leider von zig seiner Art
auf der Welt, damals gerade mit der Besonderheit, dass er die Gunst der Supermacht verspielt hatte.
Die Bilder und Geschichte waren so eindeutig, dass sie uns schon hätten stutzig machen sollen. Saddam, der Teufel, lässt neugeborene Babys an die Wand werfen, so erzählte
tränenüberströmt eine Krankenschwester, die fliehen konnte. Nachdem der Irak zusammengebombt war, stellte sich heraus, dass alles eine von einer PR-Agentur inszenierte
faustdicke Lüge war; die vorgebliche Krankenschwester war die Tochter des kuwaitischen Botschafters der USA...
Ich erinnere mich auch noch, und das werden wohl alle hier noch genau wissen: 12 Jahre später trat der Sohn, George W. Bush, an, das Werk des Vaters zu vollenden. Wieder
eine ungeheure Propagandaentfaltung, diesmal bedrohte der Teufel zu Bagdad gar die ganze Welt mit verborgenen Massenvernichtungsmitteln.
Weil ich es für Christenpflicht halte, auf diesem Gebiet nicht vergesslich zu sein, hatte ich die Lügen vom letzten Mal noch im Kopf, aber ich gestehe ehrlich, dass mich
die Medienkampagnen verunsichert haben.
War es denn denkbar, dass den Vereinten Nationen gefälschtes Tatsachenmaterial vorgeführt wurde? War es denn denkbar, dass die ganze Welt dreist belogen wurde von denen,
die gleichzeitig im Namen der westlichen Werte, der überlegenen Moralität auftraten?
Unglaublich: aber genau so war es leider. So ist es nachträglich herausgekommen. Und noch unglaublicher: Der globale Lügner führte sein Amt weiter fort, wurde niemals zur
Rechenschaft gezogen. Gras ist drüber gewachsen, so hoch, dass ein Bluff gleicher Machart jederzeit wieder möglich erscheint.
Ich gebe ein drittes Beispiel: Beim ersten Krieg, bei dem unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg wieder mitmachte, beim Jugoslawien-Krieg, wurde ebenfalls medial getäuscht.
Das „Nie wieder Krieg“ nach 45 wirkte doch erstaunlich nach und musste den Deutschen bis heute von ganz großen Koalitionen mühsam ausgeredet werden.
Der damalige Verteidigungsminister beschwor serbische „Konzentrationslager“, die es nachweislich gar nicht gab. Er zeigte Bilder eines Massakers, bei denen später
herauskam, dass es manipuliertes Bildmaterial war - Journalisten haben es nachgewiesen. Nur ist das bei uns kaum öffentlich geworden. Die Scharfmachereien liefen zur besten
Sendezeit - und die Aufklärung im Nachtprogramm.
Was können Christen, was kann die Kirche Wirksames für den Frieden tun? Wenn wir nur an die heißen Konflikte denken, ans Militärische, an die Bomben, die fallen: Wenig.
Wie lau und lahm sind dann die Appelle an alle Seiten!
Aber beten zu Gott können wir. Und den Opfern helfen, so gut wir nur können, praktisch, humanitär.
Wenn wir aber an den Zusammenhang von Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden denken, dann können wir, dann kann unsere Kirche sehr viel tun. Denn sie ist ja die Kirche des
Wortes. Es geht um der Kirche ureigenste Sache: das Wort, die Wahrheit ist immer das erste Opfer, ehe es all die schrecklichen Menschenopfer gibt.
Die Kirchen müssten einfach nur Anwälte der Wahrheit sein. Findige, hartnäckige, kompromisslose, knallharte Anwälte, die keine Begriffsbesetzungen und Propagandatricks
durchgehen lassen. Die investigativ werden. Gegeninformation transportieren.
Sie sagen: »Friede! Friede!«, und ist doch nicht Friede. Da ziehen „Friedenstruppen“ mit „Friedensmandaten“ zu „Friedenseinsätzen “ - in den Krieg?? - Merken wir überhaupt
noch die Unlogik oder hat die Gewöhnung schon gesiegt, der kalkuliert stärkste Verbündete aller Sprachmanipulateure?
Mahatma Gandhi sagte schlicht: Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg. Und Jesus redet ähnlich klar und gerade heraus. Das In-Acht-Nehmen der besten
Wörter unserer Sprache - Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit - vor Verfälschung, das ist wahrlich eine Aufgabe heute, eine restlos fordernde, aber unbedingt erforderliche,
eine wahre Friedensmission!
Dazu müsste die Kirche natürlich glaubwürdig sein, d. h. es bei sich selbst anders halten. Konsequent anders! Das taktische Reden und Agieren müssten wir aus unseren Reihen
verbannen, wegkommen von der Sprache der windigen Slogans, überhaupt von der Orientierung an PR-Prinzipien und zurückkehren zum freien, offenen Wahrheitsdiskurs, der einmal
Markenzeichen des Evangelischen gewesen ist.
Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden sind ein unauflöslicher Dreiklang. Das hat auch Jürgen Henkys gesehen, als er auf die Melodie von „Befiehl du deine Wege“ in den 80er
Jahren das Friedenslied dichtete, das wir jetzt miteinander singen. Auch das mag einer unserer Beiträge zum Frieden sein, wenn wir jetzt und immer wieder laut und
vernehmlich singen, auch und gerade in diesen Tagen, wo ein „Trumpeltier“ zu einem der mächtigsten Männer der Welt gewählt wurde:
„Gib Frieden Herr, gib Frieden…“
Amen.
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Lied: Gib Frieden, Herr, gib Frieden EG 430
Gib Frieden, Herr, gib Frieden, die Welt nimmt schlimmen Lauf. Recht wird durch Macht entschieden, wer lügt, liegt obenauf. Das Unrecht geht im Schwange, wer stark ist,
der gewinnt. Wir rufen: Herr, wie lange? Hilf uns, die friedlos sind.
Gib Frieden, Herr, wir bitten! Die Erde wartet sehr. Es wird so viel gelitten, die Furcht wächst mehr und mehr. Die Horizonte grollen, der Glaube spinnt sich ein. Hilf,
wenn wir weichen wollen, und lass uns nicht allein.
Gib Frieden, Herr, wir bitten! Du selbst bist, was uns fehlt. Du hast für uns gelitten, hast unsern Streit erwählt, damit wir leben könnten, in Ängsten und doch frei, und
jedem Freude gönnten, wie feind er uns auch sei.
Gib Frieden, Herr, gib Frieden: Denn trotzig und verzagt hat sich das Herz geschieden von dem, was Liebe sagt! Gib Mut zum Händereichen, zur Rede, die nicht lügt, und mach
aus uns ein Zeichen dafür, dass Friede siegt.
Abkündigungen
Fürbitten
Vater unser
Schlussbemerkung zu EG 606
Als nächstes Lied singen wir das Lied 606:
Freunde, dass der Mandelzweig von Schalom Ben-Chorin. Dieser jüdische Dichter schrieb es 1942 auf einem Höhepunkt der Judenvernichtung. Er bekam vor vielen Jahren wegen
seiner Verdienste um die deutsch-jüdische Aussöhnung das große Bundesverdienstkreuz - zusammen mit dem Vater einer israelischen Auftraggeberin der Sütterlinstube.
Lied: Freunde, dass der Mandelzweig EG 606
Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt,
ist das nicht in Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?
Dass das Leben nicht verging, so viel Blut auch schreit,
achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit.
Tausende zerstampft der Krieg, eine Welt vergeht.
Doch des Lebens Blütensieg leicht im Winde weht.
Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt,
das bleibt mir ein Fingerzeig für des Lebens Sieg.